Schlaf und Hirnleistung – wie lange ist optimal?


PD Dr. med. C. Schmidt

Referenz: Xu W, Tan CC, Zou JJ, Cao XP, Tan L. Sleep problems and risk of all-cause cognitive decline or dementia: an updated systematic review and meta-analysis. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2020;91(3):236‐244

Kernpunkte:

  1. Schlafstörungen sind häufig.
  2. Schlafstörungen sind u.a. Symptome von Demenzerkrankungen. Umgekehrt begünstigen Schlafstörungen auf unterschiedliche Art wahrscheinlich auch ursächlich das Auftreten von Gedächtnisstörungen und Demenzerkrankungen.
  3. Achten Sie auf Ihre Schlafhygiene, Tipps finden sie hier.

Schlaf und kognitive Leistungsfähigkeit

Wer kennt das nicht: Die Nachbarn haben durchgefeiert und uns den Schlaf geraubt. Wählen Sie eine beliebige andere Ursache, wenn Sie in einem freistehenden Einfamilienhaus im Wald wohnen sollten… Vier Stunden kurzer Schlafphasen mit unregelmäßigen Unterbrechungen. Jeder kann sich vorstellen, wie man sich am nächsten Tag fühlt. Dass die Leistungsfähigkeit nach einer solchen Nacht deutlich herabgesetzt ist, ist logisch und hängt mit der Müdigkeit und der daraus folgenden Konzentrationsstörung zusammen. Das Denken wird langsamer, das Einspeichern neuer Informationen fällt schwerer. Das ist trivial, werden Sie sagen. Chronische Schlafstörungen sind häufig und dementsprechend wissen wir auch, dass dies langfristige Auswirkungen auf unsere Hirnfunktion haben kann.

Was ist eine Schlafstörung?

Es gibt viele Möglichkeiten und daher auch viele Definitionen, die beschreiben, wie Schlaf gestört sein kann. Zu viel Schlaf (ja das gibt es wirklich), zu wenig Schlaf, Störungen der Schlafhäufigkeit, der Schlaftiefe, der “Schlafeffizienz”, der Zeit, die es benötigt um überhaupt einschlafen zu können, Zersplitterung (Fragmentation) der Schlafarchitektur usw. Viele Zustände und Erkrankungen können Schlafstörungen zur Folge haben: Stress, körperlich nicht ausgelastet sein, seelische Belastungen, aber auch körperliche Erkrankungen, wie ein “obstruktives Schlafapnoesyndrom” (Schnarchen mit Atemaussetzern), Narkolepsie usw.

Demenzen und Schlaf

Schlafstörungen sind auch Symptom von Demenzerkrankungen, wie z.B. der Alzheimer’schen Krankheit (als eine der häufigsten Usachen für eine Demenz). Durch die Degeneration bestimmer Hirnstrukturen, aber auch Veränderung und Ablagerung bestimmter Eiweiße (z.B. Amyloid beta, Tau, pTau) im Hirn kann es zu Schlafstörungen kommen, sogar zur Umkehr des Tag-Nacht-Rhythmus’. Es mehren sich aber auch die Hinweise, dass Schlafstörungen auch einen ursächlichen Beitrag zur Entstehung, oder zumindest Beschleunigung des Krankheitsprozesses leisten und z.B. die Ablagerung/Bildung o.g. krankhaft veränderter Eiweiße beeinflussen. Dies ist ein Henne-Ei-Mechanismus, bei dem noch nicht genau geklärt werden konnte, was Ursache und was Wirkung ist – wahrscheinlich ist aber eine wechselseitige Beeinflussung.

Was gibt es neues?

Die Autoren des o.g. Artikels analysierten über 100.000 wissenschaftliche Artikel zum Thema Gedächtnisstörung und Schlaf in einer Metaanalyse. Das heißt, sie entnahmen die Daten aus den bereits veröffentlichten Studien und versuchten diese mathematisch mit einem komplexen Verfahren zusammenzufassen, um entsprechende Informationen zu erhalten.

Man fand zehn Schlafparameter, die oder deren Störung mit Veränderung des Denkens und des Gedächtnisses einhergehen. Sechs davon schreibt man ein hohes “Evidenzlevel” zu, das heißt, dass man bei diesen sechs Parametern über den Zusammenhang sehr sicher ist: Schlaflosigkeit (Insomnie), Fragmentation des Schlafes, REM Schlafverhaltensstörung, und überlanges Schlafen.

Sind sieben Stunden optimal?

Interessant ist, dass sich eine U-förmige Beziehung zwischen Schlafdauer und kognitiven Störungen aller Art finden ließ. Unter 4 Stunden oder über 10 Stunden Nachtschlaf waren mit einem erhöhten Risiko für alle Arten von kogntiven Störungen (wie z.B. Demenzerkrankungen) vergesellschaftet. Das Schlafapnoesyndrom war eine wichtige Ursache – und wird hier erwähnt, weil es sich mit Beatmungsmasken gut behandeln lässt. Die mit dem niedrigsten Risiko assoziierte Schlafdauer war sieben Stunden.

Was lernen wir daraus?

Wichtig ist, dass diese Studie auch die Ursachen-Wirkungs-Beziehung zwischen Schlaf und Gedächtnisstörung nicht klar trennen kann. Ist eine Schlafstörung eine der vielen Ursachen für eine Demenzerkrankung oder ist sie ggf. ein frühes Symptom? Hinweise mehren sich, dass Schlafstörungen tatsächlich auch ursächlich zum Gedächtnisabbau beitragen können. Damit erscheint es vernünftig, einen ausreichenden, qualitativ guten Schlaf anzustreben, um kognitivem Abbau entgegenzuwirken. Insofern ist auch dieser Artikel wieder ein – Achtung Wortwitz – Weckruf, um mehr auf seinen Schlaf zu achten. Oftmals sind es die einfachen Dinge, die helfen, besser zu schlafen: Keine Bildschirmarbeit vor dem Schlafen gehen, weniger Kaffee am späten Nachmittag, sportliche Betätigung usw. Einen guten Überblick erhalten Sie in unserem Übersichtsartikel „Schlaf im Alter“.

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