Parkinson-Syndrom – Was muss ich wissen und was kann ich tun, wenn mein Arzt bei mir diese Diagnose stellt?


Bei einem Parkinson-Syndrom kommt es zu einer Bewegungsverlangsamung und Zittern sowie einem Rigor. Auch nicht-motorische Symptome sind typisch bei der idiopathischen/primären Form. Das idiopathische/primäre Parkinsonsyndrom entsteht duch Ablagerung von giftigen alpha-Synuclein Eiweißklumpen im zentralen Nervensystem, auf autonomen Nerven und dem Darmnervensystem.
Die Behandlung des idiopathischen Parkinsonsyndroms erfolgt medikamentös und nicht-medikamentös. Sie selbst können anhand des A-K-T-I-V:2 – Rezeptes dafür sorgen, dass die Erkrankung gut im Griff ist.

Von Dr. med. Tobias Frank
(Dr. Frank ist Facharzt für Neurologie und Mitarbeiter der Spezialambulanz für Parkinsonerkrankungen der Universitätsmedizin Göttingen von 2008-2015).

Inhaltsverzeichnis

Was ist Parkinson?
Anzeichen und Symptome
Entstehung der Erkrankung
Therapie
Medikamentöse Therapie
Nicht-medikamentöse Therapie
Anti-Aging Konzepte, um den Krankheitsverlauf zu beeinflussen
A-K-T-I-V:2 – Rezept für Parkinson-Patienten
Weitere Informationen für Betroffene

Was ist Parkinson?

Mit Parkinson wird in der Regel die Erkrankung gemeint, die James Parkinson 1817 in seinem „An Essay on the Shaking Palsy“ beschrieb – also die „Schüttelkrankheit“.

Viele Wissenschaftler glaubten zunächst, dass diese „Schüttelkrankheit“ durch die industrielle Revolution und Gifte in der Umwelt ausgelöst wurden. Vor 4.500 Jahren wurde im System des Ayurveda aber schon eine Krankheit beschrieben, die „kampavata“ hieß. Also eine Kombination aus Zittern (kampa) und mangelnder Muskelbewegung (vata). Die Pflanze Mucuna pruriens wurde in der Antike zur Behandlung der Symptome verwendet und später wurde entdeckt, dass sie Levodopa enthält (das Mittel, was heutzutage als Medikament eingesetzt wird).

Fachlich korrekt meinen Mediziner mit Parkinson zunächst nur eine Kombination von Symptomen, welches als Parkinson-Syndrom bezeichnet wird.

Parkinson-Syndrome werden in

  • idiopathische/primäre (IPS, der klassische Parkinson, Morbus Parkinson),
  • sekundäre (z.B. durch Medikamente ausgelöste),
  • genetische und
  • atypische

Formen eingeteilt.

Ca. 1% der Bevölkerung > 60 Lebensjahren sind von einem IPS betroffen, mit weiterem Anstieg der Erkrankungshäufigkeit in weiteren Lebensdekaden. Atypische Parkinson-Syndrom treten deutlich seltener auf.

Der natürliche Verlauf der Erkrankung ist individuell sehr unterschiedlich. Es gibt eine typische „honeymoon Phase“, meistens 5-7 Jahre nach Diagnosestellung, bei der es einfach ist, die Symptome zu lindern. Es kann gut sein, dass gerade ältere Menschen, die spät ein IPS entwickeln, dauerhaft sehr einfach zu behandeln sind. Bei jüngeren Menschen, 70 Jahre und jünger, kann es nach der honeymoon Phase schwieriger sein, die Erkrankung zu behandeln und ein Spezialist die Betreuung übernehmen muss (Nervenarzt oder Neurologe). Wir werden uns im Folgenden aber auf die erste Phase nach Diagnosestellung konzentrieren:

Was muss ich wissen?
Wie kann meine Arbeitsfähigkeit erhalten bleiben?
Wie bleibe ich aktiv?
Wie kann ich meine körperliche, seelische und emotionale Leistungsfähigkeit verbessern?

Sollten Ihnen im Artikel noch Informationen fehlen, schreiben Sie uns einen Kommentar!

Anzeichen eines idiopathischen Parkinson-Syndroms

“Schüttellähmung (Paralysis Agitans) – Unwillkürlich zitternde Bewegung, mit verminderter Muskelkraft, teilweise gelähmt und ohne Beweglichkeit, selbst dann nicht, wenn sie unterstützt wird; mit der Neigung, den Rumpf nach vorne zu beugen und vom Geh- zum Lauftempo überzugehen: die Sinne und der Intellekt werden nicht beeinträchtigt.“ – James Parkison, 1817

Die Menschen im London des 19. Jarhunderts hatten es schwer. Für viele Erkankungen gab es keine Behandlung. Herausragend von James Parkinson war, dass er sechs Menschen mit der nach ihm benannten Erkrankung detailliert beschrieb. Auch heute noch ist sein Essay von großem Wert, da der natürliche Verlauf der Erkrankung ohne Therapie von ihm dargestellt wurde. Diese Extremformen des IPS sehen wir heutzutage glücklicherweise nur noch selten und, anders als damals, stirbt kein Mensch mehr an dem IPS selbst.

Das wesentliche Symptom eines IPS ist die Bewegungsverlangsamung. Diese tritt zunächst nur auf einer Seite des Körpers auf. Greifen, Drehen, Gehen – alles wird langsamer. Das Gesicht kann ausdrucksarm werden, mit leicht geöffnetem Mund und leiser, heiserer Sprache. Der Gang wird kleinschrittig, leicht nach vorne gebeugt und ein Arm schwingt weniger mit.

Typisch ist auch ein Zittern (Tremor) einer Hand. Das Zittern tritt typischerweise in Ruhe auf. Es wird auch als „Pillendrehertremor“ bezeichnet.

Beginnend an den kleinen Gelenken kann ein Experte auch den sog. Rigor feststellten. Das ist ein erhöhter, wächserner Tonus in den Gelenken. Passenderweise wird dieser als Zahnradphänomen bezeichnet.

Was James Parkinson noch nicht wusste, ist, dass es vor den motorischen Symptomen bereits zu nicht-motorischen Symptomen kommt. Hierzu gehören unter anderem depressive Störungen, Schmerzen in großen Gelenken, Gedächtnisstörungen, Schlafstörungen und Stuhlunregelmäßigkeiten.

Parkinson ist eine Krankheit mit vielen Gesichtern. Kennen Sie noch weitere Symptome?

Wie entsteht Parkinson?

Das IPS ist eine Erkrankung des Gehirns, autonomer Nerven und des Darmnervensystems. Die Veränderungen, die man unter dem Mikroskop sehr gut sehen kann, wurden erst Anfang des 20. Jahrhunderts gut verstanden, als der deutsche Pathologe Frederick Lewy 1912 über Einschlüsse in Nervenzellen in einer Vielzahl von Hirnregionen bei Parkinson-Patienten berichtete.

Diese Lewy-Körperchen sind Ansammlungen von Eiweißklumpen in den Nervenzellen. Als man viel später Anfang der 2000er Jahre feststellen konnte, dass diese Eiweißklumpen aus alpha-Synuclein bestehen, ging man davon aus, dass man das IPS bald heilen könne. In dieser Zeit habe ich mein Praktisches Jahr in der Neurologie in Hannover absolviert und erinnere mich gut an die hoffnungsvolle Grundstimmung damals. Viele Erkenntnisse später sind wir heute immer noch an dem Punkt, an dem wir vor allem symptomatisch behandeln können, trotz vielversprechender Ansätze zur Reinigung der Nervenzellen von diesen Einweißklumpen.

Alpha-Synuclein Einweißansammlung in einer Nervenzellen. LB = Lewy Body
Alpha-Synuclein Einweißansammlung in einer Nervenzellen. LB = Lewy Body

Warum diese Eiweißklumpen in den Nervenzellen entstehen ist umfangreich untersucht. Man konnte zeigen, dass bestimmte Umweltgifte eine Rolle spielen, genetische Faktoren wichtig sind und Fehlfaltungen durch gestörte „Aufräumprozesse“ in der Nervenzelle auftreten. Fehlgefaltete Eiweiße führen dann z.B. zu einer chronische Entzündung der Nervenzellen, Bildung von giftigen Sauerstoffradikalen und Veränderungen der Energieversorgung der Zellen. Giftige, fehlgefaltete Eiweiße können regelrechte Poren in der Zellhülle erzeugen.

1919 beobachtete Tretiakoff, dass die kritischste Anomalie beim IPS der Verlust von Nervenzellen in der Substantia nigra pars compacta (SNc) des Mittelhirns war. Auch hier fanden sich die alpha-Synuclein Ablagerungen. Die motorischen Symptome treten auf, wenn ca. 50-70 % dieser speziellen Nervenzellen abgestorben sind. Diese Nervenzellen produzieren Dopamin.

In den 1950er Jahren entdeckten Forscher die Bedeutung von Dopamin und dessen Anreicherung in einer Region des Hirnes, die aus verschiedenen Kernen besteht (Basalganglien) als Schlüssel zum Verständnis der Pathophysiologie und krankmachenden Biochemie der Parkinson-Krankheit. Die verminderte, pulsierende Abgabe von Dopamin aus den Mittelhirnzellen führt letztendlich zu einer Störung der geordneten Bewegungskoordination durch die Basalganglien, welche in Verbindung mit den motorischen Hirnwindungen des Großhirns stehen.

Basalganglien (iStock, janulla)
Basalganglien (iStock, janulla)

Viel später im Jahre 2003 führte Braak eine weitere wegweisende Studie durch. Er sezierte diverse Hirne verstorbener Parkinson-Patienten mit einer eigens hierfür hergestellten Schneidemaschine. Diese zerlegten Hirnscheiben wurden von ihm sorgfältig bearbeitet und mit einem Antikörper gegen alpha-Synuclein gefärbt. Er stellte fest, dass sich die alpha-Synuclein Eiweißklumpen je nach Krankheitsstadium im Hirn ausbreiten. Beginnend im Vaguskern und Riechkolben, breiten sich die Klumpen über das Mittelhirn, bis ins Großhirn aus. Damit lässt sich sehr plausibel der Verlauf der Erkrankung erklären.

Noch früher finden sich übrigens diese Eiweißklumpen auf dem Darmnervensystem, was die oft am Anfang der Erkrankung bestehende Verstopfung erklärt. Über den Magen könnten diese Ablagerungen dann über den Vagusnerven ins Gehirn gelangen. Man spricht von der Theorie der slow-virus Infektion. Diese Theorie konnte auch in Zellkulturen bestätigt werden, in der die Eiweißklumpen von Zelle zu Zelle wandern können. Aber keine Angst: Parkinson ist nicht ansteckend!

Wie wird die Diagnose Parkinson gestellt?

Die Diagnose eines IPS wird von einem erfahrenen Arzt per Krankengeschichte und körperlicher Untersuchung gestellt. Labor- und technische Untersuchungen werden vor allem zum Ausschluss von sekundären Parkinson-Syndromen benötigt.

Untersuchungsablauf

Der Untersuchungsablauf ist in folgende Prüfungsstufen eingeteilt:

  1. Liegt in der körperlichen Untersuchung ein Parkinson-Syndrom vor (Bewegungsarmut mit mindestens zusätzlich Tremor oder Rigor)?
  2. Es bestehen keine Ausschlusskriterien (z.B. Zeichen eines atypischen Parkinson-Syndroms, nur Unterkörper betroffen, keine Effekt durch Levodopa etc.)
  3. Mindestens zwei unterstützende Kriterien liegen vor (Verbesserung des Parkinson-Syndroms durch Levodopa, Ruhetremor, Riechstörungen).
  4. Keine Warnzeichen bestehen (z.B. sehr rascher Verlauf, symmetrische Krankheit, mehr als ein Sturz pro Jahr etc.).

Schweregradeinschätzung des Parkinson-Syndroms

Für eine umfangreiche Einschätzung wird die Nutzung einer speziellen Skala empfohlen: der United Parkinson Disease Rating Scale der Movement Disorders Society (MDS-UPDRS).

Der MDS-UPDRS besteht aus vier Teilen inklusive eines Patientenfragebogens:

  1. Teil I (Erfahrungen des täglichen Lebens – nicht-motorische Aspekte)
  2. Teil II (Erfahrungen des täglichen Lebens – motorische Aspekte)
  3. Teil III (motorische Untersuchung)
  4. Teil IV (motorische Komplikationen)

Anhand der Punktzahl kann der Schweregrad des Parkinson-Syndroms festgelegt und kontrolliert werden. In der Regel wird nur Teil III des MDS-UPDRS im Arztbericht angegeben. Dabei ist eine Score-Wert von bis 20 ein leichtes Parkinson-Syndrom, 20-40 ein mittelschweres und ab 40 Punkten ein schweres Parkinson-Syndrom.

Alternativ oder ergänzend wird oft die Schweregradeinteilung des ParkinsonSyndroms nach Hoehn u. Yahr verwendet, um eine grobe Einschätzung des Zustandes eine Parkinson-Patienten zu geben. Dabei ist ein Wert von 1 ein symptomfreier Patient und ein Hoehn u. Yahr Stadium von 5 bedeutet Bettlägerigkeit.

Tagesprotokoll

Während der ersten Tage der Behandlung und immer vor Anpassung der Medikation sollte der Patient angeleitet werden ein Bewegungsprotokoll auszufüllen. Nach Neudiagnose liefert ein Tagesbewegungsprotokoll wertvollen Informationen:

  • Bewegliche (ON-) und unbewegliche (OFF-) Phasen können zeitlich voneinander abgegrenzt werden.
  • Erfassung von ON-/OFF-Fluktuationen und Auslöser.
  • Korrelation der Beweglichkeit mit Nahrungsaufnahme.
  • Korrelation der Beweglichkeit mit Medikamenteneinnahme.

Ergänzende Untersuchungen

Zum Ausschluss eines sekundären Parkinson-Syndroms ist folgende Diagnostik noch obligat:

  • Kranielle Bildgebung, MRT Kopf bevorzugt, zum Ausschluss einer Erweiterung der inneren Hirnkammern (Normaldruckhydrozehhalus), schweren Durchblutungsstörungen, Tumore.
  • Labordiagnostik

Spezielle Untersuchungen, wie Hirnstoffwechseluntersuchungen, Ultraschall des Mittelhirns oder Nervenwasseruntersuchunden sind speziellen Fragestellungen vorbehalten.

Therapie

Die Behandlung von IPS-Patienten hat drei Säulen: medikamentöse, nicht-medikamentöse und interventionell-intensivierte Therapieverfahren.

Neben den Patienten-individuellen teilhaberorientierten Zielsetzungen können sich die funktionellen Ziele am Hoehn u. Yahr Stadium ausrichten.

Hoehn und Yahr StadiumZiele der Therapie
1Krankheitsinformation
Erhalt der Arbeitsfähigkeit
Inaktivität vorbeugen
Körperliche Leistungsfähigkeit verbessern
2-3Bewegungs- und Sturzangst reduzieren
Schmerzen reduzieren
Motorisches Lernen
4-5Aktivitäten erhalten oder verbessern, insbesondere: Transfers, Gleichgewicht, Hand- und Armgebrauch, Gehen
Parkinsontherapie – funktionelle Ziele nach Hoehn und Yahr Stadien

Medikamentöse Therapie

Die medikamentöse Therapie obliegt dem behandelnden Arzt und wird sich eng am Bewegungsprotokoll des Patienten sowie nach speziellen Problemen (wie Schlafstörungen, Psychosen, Demenzen) ausrichten.

Prinzip der Therapie ist es, die fehlenden Hirnstoffe, die als Transmitter (vor allem Dopamin) dienen zu ersetzten oder die Rezeptoren, an die die Transmitter normalerweise andocken zu stimulieren. Wesentliche Stoffe sind die Vorstufe von Dopamin Levodopa und Dopaminagonisten. Bei leichten Erkrankungsformen können noch andere Substanzen eingesetzt werden.

Wichtig zu verstehen ist, dass mit zunehmendem Verlust weiterer dopaminerger Nervenzellen weniger eigenes Dopamin im Hirn vorliegt und auch weniger Rezeptoren, die stimuliert werden können. Dadurch kommt es zu einer größeren Fluktuation der Wirkspiegel im Blut. Zu Beginn der Behandlung wird in der Regel ein gleichmäßiger Wirkspiegel im Blut erreicht. Dadurch ist der Patient in der Regel gleichmäßig gut beweglich. Im Laufe der Zeit kann es aber zu Phasen der Überbeweglichkeit kommen (Dyskinesien) und Phasen der Unbeweglichkeit (Off).

Parkinson-Therapie: Wirkbereich von Medikamenten
Parkinson-Therapie: Wirkbereich von Medikamenten (aktivesalter.com)

Um Dyskinesien zu verhindern, empfiehlt es sich, dass man initial eher mit Dopaminagonisten behandelt. Weiterer Vorteil von Dopaminagonisten ist das Vorhandensein von retardierten Präparaten, die nur 1x/täglich eingenommen werden müssen, da sie verzögert aus dem Darm ins Blut abgegeben werden. Da Dopaminagonisten aber psychische Nebenwirkungen haben und zu einer Schwellung der Beine führen können, sollten biologisch ältere Menschen bereits zu Beginn eher mit Levodopa behandelt werden.

Früher vermutete man, dass Levodopa selbst Nervenzellen schädigen kann und daher die Therapie so spät wie möglich begonnen werden sollte. Das konnte in der Zwischenzeit aber wissenschaftlich widerlegt werden.

Allgemeine Prinzipien der medikamentösen Therapies

  • Start slow, go slow.
  • Keine Verzögerung der medikamentösen Therapie, um „Zeit nach hinten zu sparen“.
  • Wirkungen anderer Medikamente oder Nahrungsmittel bedenken und ggf. optimieren.
  • 30 min vor und 60 min nach Mahlzeiten keine Parkinson-Medikamente einnehmen.
  • Bei jüngeren Patienten eher Dopaminagonisten, bei älteren (biologisch > 70 Lebensjahren) eher Levodopa.
  • Spezifische unerwünschte Wirkungen von Dopaminagonisten bedenken (Der Arzt muss darüber aufklären und ein Begleitschreiben mitgeben. Auch Hinweise im Beipackzettel lesen).
  • Alle Arzneimittelgruppen bedenken: lösliche Tabletten (LT), Retardformen, Pflaster, MAO-Hemmer, COMT-Hemmer, Amantadin.
  • Nicht zu spät intensivierte Therapieformen ausprobieren/aufklären (Tiefe Hirnstimulation, Apomorphin-/Duodopa-Pumpentherapie).
  • Patienten mit Sondenkost können nicht alle Arzneimittel erhalten – dringend mit Ernährungsberatung/Neurologen Rücksprache (Möglich: Levodopa/Carbidopa (+/- COMT-Hemmer), lösliche Tabletten). Auch Sondenkost muss 30 min vor und 60 min nach Tabletteneinnahme pausiert werden.

Wenn Sie selbst Parkinsonmedikamente einnehmen: welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Nicht-medikamentöse Therapie beim Parkinson-Syndrom

Anlehnend an die Europäische Physiotherapie-Leitlinie beim Parkinson-Syndrom, der S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und dem Buch „Aktivierende Therapien bei Parkinson-Syndromen“, herausgegeben von Andres O. Ceballos-Baumann und Georg Ebersbach, können folgende Prinzipien und Therapieformen empfohlen werden. ​Krankengymnastik, Ergotherapie, Logopädie und Psychologisch-kognitive Therapie sind Bausteine der Parkinson-Therapie.

Krankengymnastik – Therapie von Motorik, Koordination und Balance

Viele Therapieformen sind in der Vergangenheit auf ihre positive Wirksamkeit getestet worden. Grundprinzip ist die rhythmisch-auditive Stimulation und die Durchführung von großamplitudiger Bewegungen. Einfach zusammengefasst bedeutet das, dass der Mensch mit Parkinson davon profitiert, wenn er regelmäßig Bewegungstherapien durchführt, bei der er sehr ausladende Bewegungen macht und das ganze rhythmisch stimuliert wird. Besonders gut kann man solche Therapieabläufe mit Unterstützung von Musik durchführen (http://mit-musik-geht-reha-besser.de/parkinson).

Ein Training, das wissenschaftlich sehr gut bewertet ist, einfach zu erlernen und der Patient nach Anleitung dann selbst durchführen kann, ist das Lee Silverman Voice Treatments BIG Training (LSVT-BIG). Gelernt werden kann es bei Therapeuten, die hierfür speziell ausgebildet sind (BIG-Therapeuten finden Sie über den link).

Ergänzend kann ein Training des intensiven Gehens oder Laufens (auch Laufbandtraining) und der Kraft empfohlen werden (Isometrisches Training). Besonders gelenkübergreifendes Kurzhanteltraining empfehlen wir zu Beginn der Erkrankung.

Ein tolles Training, was auch kognitiv stimulierend wirkt, ist Tango-Tanzen. Tango-Tanzen ist speziell untersucht worden,wir gehen aber davon aus, dass auch andere Tanzformen für ältere Menschen wirksam sein können (s.a. „Agilando“), wenn große Ausfallschritte gemacht werden. Diese sind wichtig, da das kleinschrittige Gangbild zu einer erhöhten Sturzgefahr beim Parkinson führen kann. Um diese Gefahr zu reduzieren ist auch Tai-Chi in einem der höchst-bewerteten medizinischen Journale positiv bewertet worden. Wer es gerne modern-spielerisches mag, kann auch ein Balancetraining auf dem Balance Board der Nintendo Wii nutzen.

Ergotherapie – Alltags-orientierte Therapie

Parkinson-Syndrome führen zu vielfältigen Einschränkungen im Alltag, die durch symptomorientierte Therapien alleine nicht zu beheben sind. Beispielsweise gibt es zahlreiche Barrieren, die außerhäusliche Aktivitäten und damit die Teilhabe be- oder verhindern können, auch wenn die Gehfähigkeit im klinischen Umfeld oder zu Hause prinzipiell gegeben ist.

Eine Ergotherapie zielt auf die Verbesserung und den Erhalt der Handlungsfähigkeit, Lebensqualität und Teilhabe in subjektiv wichtigen Lebensbereichen. Dazu werden zunächst die aktuellen Probleme im Alltag erfasst und ihre Ursachen analysiert. Die Analyse bezieht sich auf Eigenschaften der Person und der Umwelt sowie auf das Betätigungsverhalten (z. B. Gewohnheiten).

Therapieformen der Ergotherapie können sein:

  • Arbeitsplatz- oder Wohnraumanpassung
  • Erarbeiten von alternativen und Kompensationsstrategien zum Erhalt oder zur Verbesserung der Handlungsfähigkeit und Teilhabe (z. B. Energie-, Fatigue- und Zeitmanagement, Activity Pacing, Methoden zur Kompensation des Tremors, Nutzung von Hinweisreizen (Cues) im Alltag durch Patient und Angehörige).
  • Weitestmögliche Wiederherstellung physischer oder mentaler Körperfunktionen und -strukturen und basaler Aktivitäten – z. B. des Hantierens mit kleinen Gegenständen, des aktiven Bewegungsausmaßes, des Planens von Aufgaben oder der Konzentration auf Handlungen –, um Aktivitäten wieder ökonomischer bzw. effizienter durchführen zu können.
  • Hilfsmittelversorgung (z.B. Anti-Freezing-Stöcke, Laserpointer etc.).
  • Schreibtraining.

Logopädie – bei Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen

Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen treten bei fast allen Parkinson-Patienten auf. Ursachen finden sich in Haltung, Atmung, Stimme, Artikulation, Schluckmotorik etc. Schluckstörungen als ernstzunehmendes und behandlungswürdiges Symptom werden häufig zu spät wahrgenommen und kann zu chronisch-inflammatorischen Zuständen führen. Eine logopädische Begleittherapie ist beim Parkinson-Patienten immer indiziert.

Psychologische Begleitung

Bedingt durch die Erkrankung selbst, aber auch im Rahmen der Therapie können beim Parkinson-Patienten viele psychische Störungen auftreten. Die Parkinson-Erkrankung ist mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Demenz verbunden. Überdies sind Parkinson-Syndrome oft mit Depressionen und Angststörungen assoziiert. Diese nicht motorischen Aspekte haben oft entscheidende Bedeutung für die Lebensqualität und soziale Integration der Betroffenen. In diesem Fall sollte der Patient psychologisch begleitet werden. Ein kognitives Training inklusive Aufgaben zum kognitiven Training zu Hause wird in der Regel durch einen Ergotherapeuten durchgeführt. Ein computer-gestütztes Training kann der Patient aber auch selber durchführen, z.B. mit dem Programm freshminder.

Anti-Aging – Konzepte, um das Voranschreiten der Erkrankung zu bremsen

Wir sind davon überzeugt, dass Altern grundsätzlich nichts schlechtes ist. Neuere anti-aging Konzepte besagen aber, dass die gezielte Beeinflussung von molekularen Alterungsprozessen auch bei chronischen Erkrankungen wirksam sein sollten. Ziel ist es, durch diese Beeinflussung nicht unbedingt die Lebenwerwartung, sondern Lebensqualität zu verbessern (from lifespan to healthspan).

Übertragen auf das IPS sind folgende Interventionen erfolgsversprechend:

  1. Verbesserung der Zellreinigung von Eiweißklumpen und Verhinderung von deren Fehlfaltung
  2. Verminderung der chronischen Nervenzellentzündung
  3. Abbräumen von altgewordenen (seneszenten) Zellen

Diverse Therapieansätze werden nur in Studien möglich sein, wie zum Beispiel die Anwendung von Rapamycin, einem Immunsuppresivum, das bei Transplantierten angewendet wird, der Einsatz von Metformin oder Chemotherapeutika.

Allgemeingültig empfehlen kann man Intervallfasten, körperliches Training und den Einsatz von speziellen Mikronährstoffen. Studien zur Wirkung von Resveratrol zeigen außerdem anti-aging Effekte, ein Stoff, der sich in Rotwein und gutem Olivenöl findet.

INFOBOX – Anti-Parkinsonshake

Resveratrol, 250-500 mg
Koffein, 200 mg
Eiweißpulver, pflanzlich, 1 MB
Walnüsse, 15 g
Datteln, 15 g
Gefrorene Früchte, kleine Handvoll
Mandelmilch, ungesüßt, 200 ml

Gut mixen und 1x/Tag verzehren

Problem der durchgeführten Studien ist immer der Übertrag aus der Grundlagenwissenschaft (meistens Studien an Mäusen) auf den Menschen, so dass klare Dosierungsempfehlungen schwierig sind.

Sicher aber sollten Sie Gewohnheiten vermeiden, die die Zellen weiter schädigen (Nikotinkonsum, Übergewicht, kein Sport).

Lesen Sie auch unsere anderen Artikel zum Thema Aktives Alter und machen Sie sich ein Bild, was Sie tun können!

A-K-T-I-V:2 – Rezept

Mit dem Akronym A-K-T-I-V:2 fassen wir die 5 Faktoren für ein starkes Älterwerden zusammen. Bezogen ein Menschen, die an einer Parkinson-Erkrankung leiden, kann man das Rezept wie folgt anwenden:

A – Achtsamkeit

Bei Patienten mit IPS zeigte eine randomisierte Studie an 184 Patienten mit leichter bis mittelschwerer Erkrankung ergab, dass ein achtwöchiges Achtsamkeits-Yoga-Programm im Vergleich zu Dehnungs- und Widerstandstrainingsübungen zu ähnlichen Verbesserungen der motorischen Funktion und Behinderung und zu besseren Ergebnissen bei der Messung von Depression, Angst, Wohlbefinden und Lebensqualität führte.

Lesen Sie auch unseren Artikel zur Achtsamkeit und teilen Sie uns mit, was bei Ihnen gut wirksam ist!

K – Kontrolliertes, genussvolles Essen

Es gibt keine spezielle Diät, die für Menschen mit Parkinson-Krankheit empfohlen wird. Es ist aber wichtig ausreichend Kalorien und Nährstoffe zu sich zu nehmen, um Kraft, Knochenbau und Muskelmasse zu erhalten.​ Es kann nämlich eine unbeabsichtigte Gewichtsabnahme, Appetitlosigkeit auftreten, sowie Probleme beim Kauen und Schlucken. Auch die Zubereitung von Speisen kann durch das Parkinson-Syndrom schwierig sein.

Verstopfung ist ein häufiges Problem für Menschen mit IPS. Verstopfung kann manchmal mit einer Ernährungsumstellung oder der Verwendung eines Abführmittels oder eines Stuhlweichmachers behandelt werden. Eine ballaststoffreiche Ernährung, ausreichende Flüssigkeitszufuhr und regelmäßige Bewegung helfen, die Verstopfung bei Morbus Parkinson in den Griff zu bekommen.

Durch die Einnahmen von Parkinson-Medikamenten kann es zu einer Abnahme von Mikronährstoffen wie Vitamin B12, Folsäure, Vitamin C, Vitamin E und Coenzym Q kommen (Vitaminräuber). Diese Mikronährstoffe sollten regelmäßig im Blut gemessen und ggf. ergänzt werden.

Es ist bekannt, dass bestimmte Nahrungsmittel die Wirkung der Parkinsonmedikamente stören kann. Das kann direkt passieren, oder durch eine Verzögerung der Magenentleerung. Sollte der Verdacht auf eine solche Wechselwirkung bestehen, sollte zunächst ein Bewegungsprotokoll erstellt werden.

Patienten sollten beachten, ob viel Eiweiß in einer Mahlzeit die Wirkung einer Levodopa-Dosis, die während der Mahlzeit eingenommen wird, beeinflussen. Ich betreute vor längerer Zeit einen Malermeister, der immer, wenn ihm seine Ehefrau eine Stulle mit Eichsfelder Stracke zum Mittag mitgab, danach kaum mehr arbeiten konnte, da er steif wurde. Ines Thiele und Marouen Ben Guebila von der Universität Luxemburg erstellten 2016 ein Computermodell der Darmresorption von Levodopa und Aminosäuren, kombiniert mit einem Ganzkörpermodell der Arzneimittelwirkung. In Kombination mit weiteren Studien können folgende Empfehlungen gegeben werden, falls der Eindruck besteht, dass die Nahrungsaufnahme die Wirkung der Parkinsonmedikamente stört:

  • Parkinsonmedikamente sollten 30-60 vor und 60-90 Min nach einer Mahlzeit eingenommen werden
  • Der Großteil des Eiweiß sollte am Abend verzehrt werden (Eiweißumverteilung) .
  • Ungünstigere Amionosäuren sind Phenylalanin, Leucin oder Isoleucin.
  • Eine Serin-reiche Aminosäurezufuhr kann die Wirkung von Levodopa verbessern.
  • Pflanzliche Eiweiße (z.B. Soja) wirkt sich eher günstig auf die Levodopa-Wirkung aus.
  • Fettreiche Mahlzeiten, die die Magenentleerung verlangsamen und die Aufnahme von Medikamenten behindern, sollten vermieden werden.
  • Die Einnahme von Mahlzeiten sollten eher häufiger und mit kleineren Portionen sein (z.B. alle 3 Stunden).
  • Lesen Sie auch unseren Artikel zur Ernährung im Alter.

Eine Eiweißrestriktion von < 0,8 g/kg Körpergewicht Eiweiß empfehlen wir nicht. Zwar ist diese Maßnahme wirksam, aber nicht so gut wie o.g. Empfehlungen. Wir denken außerdem, dass eine Eiweiß-betonte Ernährung, wie in unserem Leitartikel zur Ernährung im Alter beschrieben grundsätzlich für ältere Menschen zu bevorzugen ist.

T – Tägliches Athletiktraining

tgl. LSVT-BIG
2x/Wo HIIT Lauftraining
1x/Wo BIG-FIVE plus
1x/Wo Tanzen oder Tai-Chi (mit Partner) alternativ Yoga, dann könnten Sie das auch als Einheit für die Achtsamkeit verbuchen

I – Intensive soziale Kontakte

Igeln Sie sich nicht ein. Manchmal helfen auch Selbsthilfegruppen im Umgang mit der Erkrankung. Sie können auch ihre sportlichen Aktivitäten mit Gruppen durchführen, was Spaß macht und auch die sozialen Kontakt fördert.

Regelmäßiges Spielen mit anderen (Karten, Brettspiele) ist sogar besser wirksam als ein Computer-gestütztes Gedächtnistraining für die Kognition.

V – Vernünftiger Schlaf

Typische nicht-motorische Symptome beim IPS sind das restless-legs Syndrom und die REM-Schlafstörung.

Ein restles-legs Syndrom (RLS) ist eine Syndrom der unruhigen Beine. Es beginnt oft kurz nach dem Zubettgehen, wenn die Decke über die Beine geschlagen wird. Steht man dann auf und geht umher, wird es besser, aber der Schlaf ist immer wieder gestört. Der Arzt wird ein Eisenmangel ausschließen und dann ggf. eine zusätzliche medikamentöse Therapie einleiten oder ihre Parkinsonmedikamente anpassen.

Die REM-Schlafstörung wird vor allem ihr Lebenspartner bemerken und stören. Kennzeichnend sind sehr lebhafte Träume mit aktionsgeladenem Inhalt. Es kann zu Kampfhandlungen oder unwillkürlichen Bewegungen der Beine/Arme kommen. Morgens können blaue Flecken vorhanden sein oder die Nachttischlampe auf dem Boden liegen. Hier hilft eine Anpassung der Parkinsonmedikamente. Oft muss aber ein Sedativum eingesetzt werden (Clonazepam), eine der ganz wenigen Indikationen, die für so ein Medikament sinnvoll ist.

V – Variable Faktoren

Reisen und Parkinson

Vor einer Reise ins Ausland sollten Sie sich ein paar Gedanken für eine unbeschwerte Zeit machen. Sie wollen nicht in Ägypten am Flughafen vor dem Gepäckband stehen stehen, ihr Koffer kommt nicht und Ihre Medikamente sind nicht im Handgepäck …

Informieren Sie sich über die Themen (Auffrisch-) Impfungen bzw. reiserelevante Impfungen, ausreichende Mengen aller Arzneimittel und ggf. einen vorherigen Zahnarztbesuch.

Lassen Sie sich von Ihrem Arzt ggf. einen Gesundheitsbericht erstellen. Sollten Sie während der Reise ärztliche Hilfe brauchen, liefert dieser dem Arzt am Urlaubsort wichtige Hinweise.

Wenn Sie körperlich behindert sind, informieren Sie Ihr Reisebüro und die Fluglinie, welche Hilfe Sie benötigen. Die meisten Reiseveranstalter und Fluggesellschaften haben ein Formblatt für Behinderten-Betreuungshinweise, das Sie ausfüllen und vor dem Abflug dem Bodenpersonal geben sollten.

Eine Übersicht über Reisen bei chronischen Erkrankungen und Parkinson finden Sie hier: https://www.fit-for-travel.de/risikogruppe/parkinson/.

Kraftfahreignung

Eine weitere wichtige Fragestellung kann die Einordnung der Fahreignung sein. Der Arbeitskreis Fahreigung der Gesellschaft für Neuropsychologie e.V. hat hierzu Informationsmaterialien veröffentlich.

Bei Parkinson müssen (neben Anforderungen an die körperliche Leistungsfähigkeit) die für die Kraftfahreignung bestimmte Mindestanforderungen in folgenden psychischen Leistungsbereichen weiterhin gegeben sein:

  • Visuelle Wahrnehmung
  • Konzentrationsfähigkeit
  • Aufmerksamkeit
  • Reaktionsfähigkeit
  • Belastbarkeit

Achtung: Parkinson-Medikamente, insbesondere Dopaminagonisten können zu plötzlichem Einschlafen führen!

Weitere Informationen für Betroffene

Deutsche Parkinson Vereinigung
Kompetenznetz Parkinson
Gesundheitsinformationen.de
The Micheal J. Fox Foundation (englisch)

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